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Persönliche Sicherheit zuhause
Interview mit Sturz- und Rettungsexperte Beat Mühlethaler – Teil 1
Als Rettungssanitäter und Berufsretter bringt Beat Mühlethaler ein breites Spektrum an wertvoller Erfahrung mit und unterstützt Sedimentum in allen Fragen rund um das Thema Erstversorgung, Sturzunfälle und Sicherheit zuhause.
Sedimentum hat mit Beat über die persönliche Sicherheit in den eigenen vier Wänden gesprochen. Im ersten Teil unseres Interviews erfahren Sie, wie Sie sich als helfende Person nach einem Sturzunfall verhalten sollten, in welchen Bereichen diese Unfälle häufig passieren und was sie so gefährlich macht.
Wenn ich mitbekomme, dass jemand aus meinem häuslichem Umfeld gestürzt ist, wie erhalte ich überhaupt Zutritt zur Wohnung?
Viele Angehörige haben einen Zweitschlüssel. Es gibt auch die Möglichkeit, einen Schlüssel zu deponieren, zum Beispiel bei einem Nachbarn oder in einer Schlüsselbox, die in der Nähe der Wohnungstür angebracht werden kann. Diese Schlüsselboxen erleichtern es auch dem Rettungsdienst, in die Wohnung zu gelangen.
Was muss ich als helfende Person als erstes tun, wenn ich in der Wohnung bin?
Es ist erst einmal das Wichtigste, sich einen Überblick über die Situation in der Wohnung selbst zu verschaffen. Es gilt hier die Umgebung zu begutachten, um beispielsweise zu erkennen, ob Möbel umgefallen sind oder sich Flüssigkeiten oder andere Hindernisse auf dem Boden befinden. Diese Informationen helfen auch den Rettungskräften.
Wie kann ich der gestürzten Person vor Ort helfen?
Prüfen Sie zunächst, ob die Person ansprechbar ist. Sollte diese nicht mehr bei Bewusstsein sein und auf Berühren und Schmerzreiz keine Reaktionen zeigen, dann rufen Sie die Rettung über die 144 oder 112 an. Personen ohne Bewusstsein, aber mit erhaltener Atmung sind vorsichtig in die Seitenlage positionieren, damit unterbindet man eine Verlegung der Atemwege durch Erbrochenes oder der zurückgefallenen Zunge. Wenn die Person ansprechbar ist, sollten Sie versuchen, sie zu beruhigen und die nächsten Schritte zu evaluieren. Ein Sturz sollte schnellstmöglich medizinisch abgeklärt und versorgt werden. Wenn Sie merken, dass die Situation Ihre eigenen Hilfsmöglichkeiten übersteigt, dann müssen hier die entsprechenden Rettungskräfte aufgeboten werden. Treffen diese vor Ort ein, dann übernehmen sie die weiteren Massnahmen.
Was sollte die helfende Person in einer solchen Notfallsituation vermeiden?
Wenn die helfende Person sieht, dass der oder die Betroffene offensichtlich schwer verletzt ist, ist die Alarmierung des Rettungsdienst über die Notrufnummer 144/112 sicher der schnellste und beste Weg. Es ist wichtig, dass hier keine wertvolle Zeit verloren geht. In einem Notfall muss immer zuerst die Rettung alarmiert werden.
Oft erleben wir im Rettungsdienst auch die Situation, in welcher der Partner oder die Partnerin der gestürzten Person zuerst die eigenen Kinder anruft. Dies geschieht oft, weil sich die Helfenden unsicher sind was zu tun ist. Deshalb empfehle ich, die Notrufnummern 144 und 112 auf einem Zettel zu notieren und gut sichtbar neben das Haustelefon zu legen oder sich auf dem Handy abzuspeichern.
Welche Verletzungen treten bei Stürzen üblicherweise auf?
Die Verletzungsmuster sind sehr vielfältig. Häufig treffen wir Hüft-, Oberschenkel- oder Knieverletzungen an. Rund 40-50% aller Stürze sind Stolperstürze, sprich der Patient verfängt sich an der Teppichkante, oder Türschwelle. In der Regel begegnen uns auch viele Schulterverletzungen, welche oftmals kombiniert mit Handgelenks- und Unterarmverletzungen auftreten. Diese entstehen typischerweise wenn die Person versucht hat, den Sturz abzufangen und sich dabei abzustützen. Auch Kopfverletzungen sind keine Seltenheit. Wenn eine Person von ca. 1.70m Körpergrösse und 60 Kilo Gewicht nach hinten auf den Boden fällt, dann hat der Kopf eine Fallhöhe von 1.70m erreicht. Ein Aufprall aus dieser Höhe ist sehr stark und daraus können ernsthafte Verletzungen resultieren.
Wo passieren diese Unfälle am häufigsten und was sind die Ursachen?
Die Unfälle passieren vorwiegend im häuslichen Umfeld. Hier liegen die Ursachen sehr oft in der Einrichtung der Wohnung. Viele Menschen haben Teppiche in ihrem Zuhause, die auf dem Laminat liegen und sehr rutschig sein können. Einige Leute laufen zuhause auch gern barfuss und aufgrund von trockener Haut an den Füssen bleiben sie dann teilweise an ihren Teppichen hängen und stürzen. Eine weitere Ursache sind Stolperfallen, wie beispielsweise herumliegende Kabel oder auch Türschwellen. Ich habe ebenfalls erlebt, dass eine Frau in den Futternapf ihrer Katze getreten ist. Dadurch ist sie ausgerutscht und nach hinten gefallen. Sie trug schwere Schädelfrakturen davon.
Lauert also die Sturzgefahr eher am Boden?
Alles, was in der Wohnung am Boden liegt, ist tendenziell eine Gefahr. Gerade Personen mit einer nachlassenden Sehleistung oder mit körperlichen Einschränkungen, die beispielsweise nicht auf den Boden herunterschauen können, gehören zur Risikogruppe.
Auch alle Einrichtungsgegenstände, die umkippen können oder nicht fest montiert sind, stellen im häuslichen Umfeld eine Gefahr dar. Bei Personen, die ein Eigenheim mit Keller haben, sehen wir im Einsatz oft, dass dort schlechte Lichtverhältnisse herrschen. Ausserdem sind an der Treppe häufig gar keine Handläufe montiert. Gerade Stolperstürze die Treppe herunter sind sehr gefährlich und mir in meinem beruflichen Alltag schon zahlreich begegnet.
Was macht diese Stürze so gefährlich?
In vielen Fällen stürzen die Betroffenen über mehrere Meter nach unten. Ich habe schon viele komplizierte Fälle mit Kopfverletzungen in Kombination mit Hüft- oder Oberschenkelverletzungen erlebt. Hier muss die Rettung die gestürzte Person vor Ort narkotisieren, weil sie sonst schlichtweg nicht mehr zu bergen wäre. Diese Sturzunfälle auf der Treppe sind wirklich gefährlich.
In welchen weiteren Bereichen des häuslichen Umfeldes treten Sturzunfälle typischerweise noch auf?
Der Wohnbereich schliesst ebenfalls die Nasszellen mit ein, in denen die Bewohner üblicherweise barfuss herumlaufen. Viele Menschen verlieren auf den glatten Böden die Haftung und rutschen aus. Dies passiert aufgrund von Hornhaut an den Füssen und, bei älteren Personen, der nachlassenden Elastizität der Fusssohlen. Erschwerend kommt hinzu, dass einige Leute Knie-, Oberschenkel- oder Hüftprobleme haben und sich nicht mehr abrollen können, falls sie stürzen.
Ist das Badezimmer dementsprechend ein besonders kritischer Ort?
Ich habe schon oft von den Betroffenen gehört, dass sie sich beim Aufstehen aus der Badewanne für einen Moment nur auf einem Bein hielten und dann weggerutscht sind. Meiner Erfahrung nach sind diese Personen dann kaum noch in der Lage ohne fremde Hilfe aus der Badewanne herauszukommen.
Manchmal ist das Badezimmer auch abgeschlossen oder etwas weiter entfernt vom Wohnbereich. Im ersten Moment hören Sie gar nicht, wenn jemand aus dem Bad nach Ihnen ruft. Und es kann sehr lange dauern, bis eine Person aus dem Umfeld bemerkt, dass der oder die Betroffene dort liegt und Hilfe braucht. Ein weiterer kritischer Punkt ist, dass der Körper sehr schnell auskühlt. Eine nackte, ältere Person, welche nass auf dem Boden in einer 22 Grad warmen Wohnung liegt, ist innerhalb von 60 bis 90 Minuten bereits unterkühlt. Diese Gefahr sollte man auf keinen Fall unterschätzen.
Erfahren Sie im zweiten Teil des Interviews mit Beat Mühlethaler, welche Präventivmassnahmen ergriffen werden können und wie Angehörige dazu beitragen können, das Zuhause ihrer Lieben sicherer zu machen.
Bei Fragen rund um die persönliche Sicherheit zuhause, Sturzprävention oder zu unserer SAFE-living Lösung, zögern Sie nicht uns zu kontaktieren. Rufen Sie uns gern an unter der Nr. +41 44 585 93 35 oder schreiben Sie uns an info@sedimentum.com.
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